Von traditionellen zu postmodernen Organisationen

Wo stehen Organisationen wirklich? Und warum verändern sich Organisationen langsamer als wir denken? Ein Erklärungsversuch und Empfehlungen für die Personalentwicklung.

In diesem Blogartikel werfen wir einen Blick auf verschiedene Organisationstypen und deren Veränderungspotenzial, was die Personalentwicklung hier leisten kann und warum sich ein Verständnis für psychologische Modelle auszahlt.


Viele Unternehmen ringen damit, sich zu einem modernen oder gar postmodernen Unternehmen zu entwickeln. Was steckt hinter den Begriffen? Laloux (2014) unterscheidet wie das Spiral Dynamics Modell vier Organisationstypen: die tribale (rote gemäß Spiral Dynamics) Organisation, die traditionelle (blaue) Organisation, die moderne (orange) Organisation und die postmoderne (grüne) Organisation. Die tribale Organisation können wir hier vernachlässigen, man findet sie maximal in Straßengangs und Mafiaclans. Die traditionelle Organisation, als nächste Entwicklungsstufe, ist schon etwas häufiger anzutreffen. Neben Militär, religiösen Institutionen und öffentlichen Organisationen findet man auch noch Wirtschaftsunternehmen, die ihren Schwerpunkt in diesem Typus haben. Diese Organisationen kennzeichnen stabile Prozesse, feste Hierarchien, formelle Kommunikationswege, enge Aufgabenbeschreibungen, klare Regeln und Kontrollmechanismen. Die darunterliegende Weltsicht besagt, dass Dienstnehmer meist faul und unehrlich sind und deshalb klare Vorgaben brauchen. Sie müssen kontrolliert werden und man muss ihnen sagen, was von ihnen erwartet wird. Es wird von lebenslanger Beschäftigung ausgegangen und ein großer Teil des sozialen Lebens der Mitarbeiter dreht sich um die Organisation. Traditionelle Organisationen streben nach Dominanz und dem Monopol und betrachten Konkurrenz mit Argwohn. Sie versuchen unter allen Umständen, unabhängig und autonom zu bleiben, sie wollen auf die Außenwelt nicht angewiesen sein. Die moderne Organisation zeichnet das Leistungsprinzip und Innovationsstreben aus. Führungskräfte dieser Organisationen predigen, dass Veränderung und Innovation keine Gefahr darstellen, sondern Chancen bieten. Die hierarchische Grundstruktur bleibt, wird aber ergänzt um Projektgruppen, virtuellen Teams, funktionsübergreifenden Initiativen, Expertenfunktionen und internen Beratern. Man hat erkannt die Intelligenz möglichst vieler Mitarbeiter zu nutzen und gibt ihnen das notwendige Vertrauen, ermutigt sie Projekte eigenständig zu konzipieren und durchzuführen. Das wird erreicht durch Management nach Zielvorgaben mit einer Reihe von verbreiteten Managementprozessen wie jährlichen Budgetzyklen, KPI’s oder Balanced Scorecards. Moderne Organisationen haben eine große Anzahl von finanziellen Anreizen um Mitarbeiter zum Erreichen festgesetzter Ziele zu motivieren: Leistungsbewertung, Bonussysteme, Mitarbeiterbeteiligungen etc. Personalentwicklung gewinnt an Bedeutung, weil jeder engagierte Mitarbeiter, soll die Möglichkeit haben sich weiterzuentwickeln, das zeigt sich in Maßnahmen wie Talentmanagement, Nachfolgeplanung, Leadership-Training etc. Die postmoderne Organisation hat die Schattenseiten des Leistungs- und Innovationsprinzips erkannt. Sie hat erkannt, dass wenn sich Jahr für Jahr alles auf Zielvorgaben und Zahlen, Milestones und Deadlines und ein weiteres Change-Programm beschränkt, alles nur in Geld und Anerkennung gemessen wird und Wachstum und Gewinn das Einzige sind was zählt, sich dann manche Menschen fragen, was eigentlich der Sinn des Ganzen ist. Und sie haben erkannt, dass eine Wirtschaft, die auf künstlich geschaffenen Bedürfnissen basiert, aus finanzieller und ökologischer Perspektive nicht nachhaltig ist. Schlagworte wie Empowerment, Servant Leaders (dienende Führungskräfte), eine gelebte werteorientierte Kultur und die Integration verschiedener Interessengruppen kennzeichnen die postmoderne Organisation. Näher möchte ich darauf nicht eingehen, weil sie in der Mehrheit der Unternehmen im deutschsprachigen Raum aktuell kaum vorzufinden ist.

Ist die Zuordnung zu einer Organisation so einfach? Organisationen sind viel zu komplex, um sie einer Stufe vollkommen zuzuordnen. Aber man kann alle Strukturen und Praktiken durch den Filter der vier Typen betrachten und man wird einen Schwerpunkt erkennen. Geht man nach den Überschriften in diversen Reports, sind die meisten Wirtschaftsunternehmen in Österreich der modernen Entwicklungsstufe zuzuordnen. Die Realität sieht manchmal allerdings auch so aus: Hinter Bonussystemen steckt ein Gießkannenprinzip, in Projektgruppen sitzen Führungskräfte der höheren Ebenen, bei Führungskräften siegt die Angst Kontrolle abzugeben und sie treffen weiterhin selbst Entscheidungen, wertorientierte Kulturstatements stehen auf Postkarten und Plakaten (aber man erkennt sie nicht im Verhalten), flächendeckende Stellenbeschreibungen sind als strategisches Ziel definiert und die Umsetzung läuft zäh, in Budgetprozessen wird taktisches „Tiefstapeln“ gespielt und es wird jedem Trend, propagiert in einem Managementmagazin, nachgeeifert, ohne noch den letzten tatsächlich integriert zu haben. Solange sich eine Organisation nicht im Kern weiterentwickelt hat, bleiben Kulturinitiativen, Bonussysteme etc. Schlagworte auf Papier, die viel Aufwand erzeugen, aber nichts bringen, teilweise sogar Unmut erzeugen. Eine ehrliche schonungslose Selbstreflexion und Standortbestimmung, ein Weglassen von sämtlichem „Trendnachjagen“, ein Hinterfragen „Wozu sind wir wirklich bereit?“ (nicht nur am Papier, sondern auch in der Umsetzung) und ein „Wir gehen dort weg, wo wir stehen.“ – nur so kann wirkliche Veränderung und Weiterentwicklung von Statten gehen. 

Warum verharren Organisationen auf Entwicklungsstufen, obwohl sie sich weiterentwickeln möchten? So manches lässt sich mit sozialpsychologischen Phänomenen erklären. Zum Beispiel die Theorie der kognitiven Dissonanz – das Bedürfnis unser Verhalten zu rechtfertigen – eine der wichtigsten und provokantesten Theorien der Sozialpsychologie. Eines der wichtigsten Bestimmungsfaktoren menschlichen Verhaltens beruht darauf, ein stabiles, positives Selbstbild aufrechtzuerhalten. Laut der Theorie der kognitiven Dissonanz verspüren Menschen ein Unwohlsein (Dissonanz), wenn sie sich auf eine Weise verhalten, die zu ihrem Selbstbild dissonant ist. Um die Dissonanz zu verringern, können wir 1. unser Verhalten ändern, um es wieder unserem Selbstbild anzupassen, 2. unser Verhalten durch das Ändern einer Kognition rechtfertigen, oder 3. unser Verhalten rechtfertigen, indem wir eine rechtfertigende Kognition hinzufügen. Einfach erklärt am Beispiel eines Rauchers: Ein Raucher erlebt wahrscheinlich Dissonanz, weil er weiß, dass sein Verhalten gesundheitsschädlich ist. Gemäß 1. verändert er sein Verhalten und gibt das Rauchen auf, gemäß 2. verharmlost er die Gefahr des Rauchens, indem er sich einredet, dass die Daten, die den Zusammenhang zwischen Krebs und Rauchen belegen, gar nicht schlüssig sind oder gemäß 3. fügt er eine Kognition hinzu, indem er sich einen plastischen Einzelfall vor Augen führt – der 87-jährige Großvater, der seit seinem vierzehnten Lebensjahr raucht. Wie die Erklärungsstrategien des Rauchers zeigen, leugnen oder verzerren Menschen, die Dissonanz erleben, oftmals die Realität, um die empfundene Dissonanz zu verringern. Im organisationalen Kontext spielen Nachentscheidungsdissonanzen eine große Rolle. Entscheidungen lösen Dissonanz aus, weil sie es erforderlich machen, dass man einer Sache vor der anderen den Vorzug gibt. Der Gedanke, dass wir uns womöglich falsch entschieden haben, ruft ein Unwohlsein hervor – die Nachentscheidungsdissonanz. Nachdem die Entscheidung endgültig ist, verringert sich dieses Unwohlsein, indem Argumente zugunsten des gewählten Objekts oder der eingeschlagenen Handlungsweise gesammelt werden. Eine Organisation ist aufgebaut aus einer Fülle von Entscheidungen, die von Menschen getroffen wurden. Insbesondere bei langer Verweildauer von Menschen im Unternehmen, dürften viele Nachentscheidungsdissonanzen vorhanden sein. Veränderungen werden oft auf die Weise gedeutet, dass alte Entscheidungen schlecht waren. Daraus lässt sich meiner Meinung nach, ein durchaus großer Teil des Verharrens erklären. Kann man dieser „Falle“ überhaupt entkommen? Obwohl der Prozess der Dissonanzreduktion unbewusst abläuft, ist er beeinflussbar. Wenn man weiß, dass Menschen ein Bedürfnis nach Konsistenz haben, kann man sich dieses Prozesses stärker bewusst werden. Wenn wir das nächste Mal Dissonanz spüren, können wir den Selbstrechtfertigungsprozess bewusst unterbrechen und unser Handeln reflektieren. 

Eine andere Lösung aus diesem Dilemma sehe ich darin, dass man die Einstellung der Menschen verändert. Ich kann Organisationen nur verändern, indem ich die Mehrheit der Individuen verändere (oder austausche). Hier kann die Personalentwicklung mit gut durchdachten individuellen Trainingskonzepten und mit einem gut geplanten und strategisch angelegtem Nachfolgemanagement einen wertvollen Beitrag leisten. Mehr zum Thema Nachfolgemanagement wird es in einem meiner nächsten Artikel geben. Natürlich verändere ich Organisationen auch durch Strukturen- ein häufig vorgeführtes Argument. Aber wer schafft letztlich Strukturen? Richtig. Ein Mensch bzw. mehrere Menschen in Teams. Daher bleibt es bei meinem Statement – trotz Strukturargument: Ohne Veränderung der Mehrheit der Individuen innerhalb der Organisation verändert sich auch die Organisation selbst nicht. Persönliche Entwicklung und Wachstum kann man aber niemandem aufzwingen. Es gibt allerdings Umgebungen, die diese Entwicklung fördern können. Wenn man von Menschen umgeben ist, die schon auf einer höheren Entwicklungsstufe sind, ist es wahrscheinlicher, dass man selbst die Stufe auch geht. Unsere Einstellung gegenüber allem, kann gemäß sozialpsychologischen Untersuchungen, davon beeinflusst werden, was andere Menschen tun oder sagen. Daher: Es gilt allerhöchste Vorsicht und Achtsamkeit bei Neueinstellungen bzw. bei Führungsneubesetzungen. Ich muss genau wissen: Welchen Typus will ich in der Mehrheit? Welchen Typus gebe ich Macht? Schauen Sie besser mehrmals hin, investieren Sie mehr Zeit in die Auswahl - die Wirkung ist groß.

Die Wirkung von Führungskräften ist überproportional. Erst wenn die Mehrheit der Führungskräfte „modern“ agiert, wird der Wandel hin zur modernen Organisation möglich. Für mich gibt es daher in der Konzeption eines Führungskräftetrainings zwei Dinge zu berücksichtigen: Erstens sollen entscheidende Konzepte aus der Psychologie vermittelt werden, um durch das Wissen einen Selbstreflexionsprozess anzusteuern Zweitens ist es sinnvoll im Führungskräftetraining zuerst auf Einzelmaßnahmen zu setzen, und dann erst das Training in der Gruppe zu organisieren. Es macht Sinn den individuellen Selbstreflexionsgrad vor dem Gruppentraining zu steigern. Zusätzlich zu diesem Argument stecken auch einige Argumente für dieses Vorgehen in sozialpsychologischen Erkenntnissen zu Gruppenprozessen: Gruppen fällen nicht immer gute Entscheidungen – vor allem wenn sie verblendet sind vom Wunsch, das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gruppe aufrechtzuerhalten und einer dominanten Führungspersönlichkeit zu gefallen. Es stimmt: Im Allgemeinen arbeiten Gruppen erfolgreicher als Individuen, wenn sie sich auf die Person mit dem meisten Fachwissen verlassen und wenn sie motiviert sind, nach der besten Antwort zu suchen, die am besten für die gesamte Gruppe ist und nicht nur für sie selbst. Häufiger aber kommt es zu sogenannten Prozessverlusten z.B. neigen Gruppen dazu, sich auf die allen bekannten Informationen zu konzentrieren und Umstände zu ignorieren, die nur einzelnen Gruppenmitgliedern bekannt sind. Außerdem sind eng verwobene, kohäsive Gruppen auch anfällig für Gruppendenken, bei dem der Erhalt der Gruppenkohäsion und der Solidarität wichtiger ist als die realistische Betrachtung der Tatsachen. Um all die gruppendynamischen Prozesse auch im Bereich des Lernens erst wirken zu lassen, wenn das Individuum eine gewisse Selbstreflexionsstufe erreicht hat, empfehle ich diese Überlegungen im Aufbau von Führungstraining-Programmen zu berücksichtigen.

Als Schlusswort - zurück zu den Organisationen und ihrer Weiterentwicklung: Ist eine höhere Stufe überhaupt besser als die niedrigere? Das ist kontextabhängig - und lässt sich nicht generalisieren. Feststeht: Wenn ich eine höhere Stufe erreicht habe – als Mensch und Organisation -, habe ich auch die Fähigkeiten der niedrigeren Stufen integriert und kann sie kontextangepasst anwenden.

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Mag. Verena Cozelenka
Unternehmensberaterin und Trainerin
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